Pastorale Abenteur in Bolivien- Rupertusblatt Artikel

Eine Gute Zusammenfassung unserer Arbeit in Bolivien in der Salzburger Kirchenzeitung Rupertusblatt: Pastorale Abenteur in Bolivien: Wie soll ich mein Kind gut ernähren

Mittwoch, 5. März 2008

Bolivien, ein geteiltes Land,- die Lage eskaliert

Heute gehts mir schon wieder recht gut, die wie oben erwaehnt geplante Reise habe ich verschoben. Was vielleicht ganz gut ist. Heute koennte ich eh nicht fahren: Neben Dieselmangel (eines der Hauptprobleme in ganz Bolivien und besonderns im Tiefland, die Cambas sagen „alles Absicht“) und Wassermangel haben heute auch die Landesregierungen von sechs der neun Bundeslaender Boliviens einen Paro ausgerufen, Generalstreik. Hier machen das nicht die Gewerkschaften um irgendwas zu erreichen, hier macht das gleich die Landesregierung selber um gegen die Staatsregierung zu protestieren, fuer die Leute glaub ich ist das wie ein extra Feiertag. Seit ich da bin ist das der zweite Paro. Nutzen tut es niemanden, man muss sich vorstellen, wenns vielleicht 250 Arbeitstage im Jahr gibt, und davon auch nur 4 durch Paro ausfallen, ist gleich 1% des Wirtschaftswachstums dahin.

Jetzt gerade protestieren sie aber nicht etwa gegen irgendwetwas. Jetzt gehts richtig zur Sache. In Sucre, der offiziellen Hauptstadt hat es schon einige Tote gegeben, ein paar Demonstranten und dann ist auch noch ein Polizist gelyncht worden. Das ist ziemlich schraeg, hier im Tiefland bei den Cambas hat man das Gefuehl Bolivien sei das ruhigste, friedlichste Land, dabei brodelt es gewaltig, auch hier. Es ist sehr schwer durchschaubar was da wirklich passiert.

Grundsaetzlich ist dieses Land einmal sehr zweigeteilt. Da gibt es die Cambas im Tiefland (Oriente, Medialuna—Halbmond, wegen der Form), dort wo ich bin, dann gibts die Collas im Hochland, Occidente, das sind die bekannten Quechua und Aymara. Die Cambas haben viel weniger von ihrer alten Stammeskultur erhalten. Die meisten Leute hier sehen sich nicht als zB. Chiquito oder Guarani, sondern als Camba. Die Guarayas in Urubicha etc bilden da, wie schon erwaehnt eine ausnahme. Camba heist „Freund“ und ist kein Rassenname sondern ist ein Sammelbegriff fuer alle Tieflandbewohner, die sich viel mehr mit den Spansichen Abkoemmlingen vermischt haben.
Bolivien ist also eigentlich nicht ein Land, es ist wie zwei ganz verschiedene Laender mit zwei grossen Kulturbereichen und verschiedenen Klimazonen. Ich bin hier im tropischen Tiefland, wo es fast immer warm ist und alles ueppig gedeiht, die Leute sind sehr locker, arbeiten nicht zu viel und sind sehr offen. Das Land bringt sie schon irgendwie durch und so lebt sichs recht angenehm.

Die Hochlaender hingegen leben in einer sehr kargen, kalten, harten Umwelt, muessen hart arbeiten und sind ein hartes leben gewohnt. Die alten Vorstellung sind bei den Collas noch sehr verankert, vor allem die Aymara, der Praesident Evo Morales ist einer, sind beruechtigt fuer ihre Blut und Land Theologie (Die mich in ihrer jetztigen Auspraegung immer mehr an den Nationalsozialismus erinnert, da wird eine Vergangenheit propagiert an die es anzuschliessen gilt die es aber nie gegeben hat. Wie die Nazis mit ihren Germanentum und der schraegen Ureistheorie wo irgendwo in Tibet ein Komet runtergekommen ist etc etc...esoterisch und gefaehrlich. So wird hier auch oft geredet: Die Kirch wurde uns aufgezwungen, und hat uns etwas weggenommen das viel maechtiger und besser war, dahin muessen wir wieder zurueck, unser Blut).

Was jetzt die historische Entwicklung in dem Konflikt zwischen Hochlaendern und Tieflaendern, Collas und Cambas ist, weiss ich noch nicht. Auf jeden Fall ist es gefaehrlich, zwei so unterschiedliche Volksgruppen in ein Land zu Pressen, auch wenn das Land 13 mal so gross ist wie Oesterreich und gleich viele Einwohner hat. Was in den letzten Jahren passiert ist: Lange war das Hochland das wirtschaftlich aktive Zentrum Boliviens, seit einigen Jahrzehnten hat sich das aber immer mehr verlagert von La Paz(Occidente) nach Santa Cruz (Oriente), besonders durch grosse Erdoelfunde schon in den Dreissigerjahren und riesigen Erdgasfunden in den letzten Jahren.
In Folge wurden viele Hochlaender ins Tiefland umgesiedelt. Das ist schon mal eines der grossen Probleme. Die Hochlaender behalten ihren Lebenstil bei und arbeiten hart, haerter, arbeiten sich hinauf und ueberfluegeln bald die Tieflaender. Die Collas haben bald ein Auto waerend die meisten Cambas da lange drauf warten muessen. Da ist schon ein gewaltiges menschliches Aggressionspotential vorhanden.

Dazu kommt, dass die Presidenten bis jetzt fast alle Collas waren. Der Oriente wird ziemlich geschroepft. Hier sagt man das 70 % des BIP im Oriente erwirtschaftet wird, aber nur 30 % der Steuergelder hierher zurueckfliessen. Das wird von den Menschen natuerlich als grosse ungerechtigkeit angesehen und auch auf die ethnischen Spannungen zurueckgefuehrt.
Vor einem Jahr ist dieser Konflikt eskaliert.
Da war eine grosse Vollversammlung oder Kundgebung (Cabildo) aller Cambas in Santa Cruz angesetzt, eine Million Menschen sind gekommen. Auf dem Weg von San Ignacio nach Santa Cruz gibts aber auch eine grosse Colla Sieldung, San Julian, da haben die Collas gleich eine Strassenblockade aufgezogen um die Cambas nicht nach Santa Cruz zu lassen. Da hats dann schon gefunkt. Schlimmer wars dann aber, als die Ignacianer zurueckgekommen sind. Da sind sie durch das Zentrum gezogen und haben die Geschaefte einiger Collas angezuendet und gepluendert. Getoetet ist niemand worden. Es ist aber auch nie jemand zur Rechenschaft gezogen worden. Als das Militaer angerueckt kam um weitere Pluenderungen zu verhindern, hat sich dann der Buergermeister laengere Zeit versteckt und irgendwann hat alles wieder gepasst. Aja, zwischen Polizei und Militaer gibts da auch starke Konflikte schon seit den 50gern (Kompetenzstreitigkeiten), aber das wuerde jetzt wohl zu weit fuehren.

Das Problem jetzt gerade ist aber noch viel groesser und tiefgehender. Da ich mich ausserstande sehe es gut zu analysieren, uebersetze ich euch eine kleine Zeitleiste der Ereignisse aus der Monopolzeitung im Tiefland “El DEBER”, die einiges erklaeren duerfte. Es hat das alles mit den Problemen mit der Schaffung einer neuen Verfassung zu tun.

6 de Agosto de 2006
Die Konstituiernde Versammlung wird in Sucre eingesetzt.

1 de Septiembre
Erster Konflikt, weil die Regierung festlegt, das fuer die aprobierung einer neuen Verfassung eine Absolute Mehrheit ausreicht, und nicht eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist [der Regierung ist an einem schnellen abschluss der neuen verfassung gelegen, um moeglichst viele ihrer vorstellungen durchzubringen =mas poder].

15 de diciembre

Die Regierung schlaegt andere Autonomiebegriffe vor, und kontert damit der Autonomiebewegung und den Vorstellungen der Tieflaneder.

5 de marzo 2007
Sucre will, dass in den Text seine Stellung als Sitz der Regierung festgeschrieben wird, es entsteht ein Konmflikt mit La Paz [Sucre ist die ofizielle Hauptstadt, aber die Regierung sitzt in La Paz].

6 de Agosto
Die Frist ist um, aber die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Neue Frist 14 Dezember.

15 de Agosto
Gewaltsame Proteste in Sucre, da die MAS (movimiento al socialismo, die Partei von Evo Morales) fordert die Frage nach der Hauptstadt aus der Debatte zu nehmen. Die Versammlung haelt keine Sitzungen mehr ab.

22 de Noviembre
Nach drei Monaten werden die Sitzungen ohne der Opposition [ja genau das, ohne Teilnahme der Opposition], in einer Kaserne weitergefuehrt.

24 de Noviembre

Als bekannt wird, das der Text fuer abgesclossen erklaert wure, gibt es bei Protesten um die Kaserne mindestens drei Tote. Am Tag danach zieht sich die Polizei zurueck.

Als sich die Polizei zurueckgezogen hat, aus Taktischen Gruenden, Munitions- und Traenengasmangel, haben auch die Haeftlinge die Gunst der Stunde genutz und einen Aufstand gemacht und sich befreit. Angesichts der unkontrolierbaren Lage haben erhielt die Polizei den Befehl sich ganz zurueck zu ziehen. Ich belasse es mal mit diesem Thema.

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